• Author:Andreas Mueller
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Arbeit und Gute Führung in Deutschland 2014

Der kürzlich verstorbene Prof. Dr. Peter Kruse hat 2014 die Multiperspektiv-Studie “Wandel der Arbeitswelt” im Rahmen des Forum Gute Führung vorgelegt. Vor dem Hintergrund steigender Netzwerk-Komplexität stellt er fest, dass es in der gesamten Gesellschaft an Orientierung fehlt, was vor allem durch den Zuwachs an (widersprüchlichen) Informationen durch unsere globale Internet-Medienlandschaft verursacht wird.

Die Analyse der ca. 400 befragten Führungskräfte liefert 6 klar unterscheidbare Konzepte für “gute Führung”, die allerdings nicht durchgängig positiv konnotiert werden:

  • individuelle Dominanz (starke Persönlichkeit)
    • positiv: walk-the-talk, Orientierung, Verlässlichkeit
    • negativ: Überheblichkeit, Alles-im-Griff, Von-oben-herab, Egozentrik
  • effiziente Zielerreichung
    • positiv: Profitabilität, Effektivität
    • negativ: Eigennutzen, Ausbeutung, Fremdsteuerung, Machtmonopol
  • kooperative Teamarbeit
    • positiv: Kollaboration, Dezentralität
    • negativ: Desinteresse
  • iterativ testende Agilität
    • positiv: Segeln auf Sicht (keine negativen Äusserungen der Befragten!)
  • dynamische Vernetzung
    • positiv: Selbstbestimmung, Partizipation
    • negativ: Unorganisiertheit
  • solidarische Integration
    • positiv: Demokratisierung, Solidarität
    • negativ: Kraftvergeudung

Kruse2014-RoadMap

Über den Verlauf der letzten 60 Jahre werden die Konzepte der effizienten Zielerreichung und der starken Führungspersönlichkeit den 50er bis 80er Jahren zugeordnet. In den 90er/00er Jahren kommt es zu einem starken Wandel, operative Teamarbeit, iterativ testende Agilität nehmen so stark zu, dass sie gleichauf mit der verringerten Bedeutung einer starken Persönlichkeit sind. Für heute sehen die Befragten beide Wachstumskonzepte nunmehr am stärksten vertreten, während dynamische Vernetzung und solidarische Integration heute gleichauf sind mit der abnehmenden effizienten Zielerreichung, starke Persönlichkeit reicht schon gar nicht mehr aus. Im Wachstumstrend für morgen sehen sie weiterhin dynamische Vernetzung und solidarische Integration.

Kruse2014-Führungskonzepte

Kruses Untersuchungen basieren auf selbst formulierten Begriffen der Führungskräfte, welche sie zu gegebenen Stichwörtern positiv oder negativ zuordnen konnten. Befragt nach der Vorstellung von “guter Führung” ergaben sich fünf Präferenztypen, die sich alle positiv zum Konzept “iterativ testende Agilität” positionieren.

  1. Traditionell absichernde Fürsorge (13,5%)
  2. Steuern nach Zahlen (29,25%)
  3. Coaching kooperativer Teamarbeit (17,75%)
  4. Stimulation von Netzwerkdynamik (24 %)
  5. Solidarisches Stakeholder-Handeln (15,5 %)

Aus Sicht der Mitarbeiter ergeben sich zwei inkompatible Wertehorizonte, die plakativ als optimistische und resignierte bzw. als Gewinner und Verlierer bezeichnet werden. Ihre Bewertung der Führungspraxis heute und morgen zeigt einen schwer überbrückbaren Konflikt auf. Resignierte Mitarbeiter lehnen Führung durch effiziente Zielerreichung ab und neigen zur Führung als solidarischer Integration oder dynamischen Vernetzung. Sie sehen die Führungspraxis heute im Bereich ihrer Ablehnung und glauben, dass sich Führung morgen nicht wesentlich auf Ihr Ziel hin bewegt haben wird.

Optimistische Mitarbeiter hingegen lehnen starke Führungspersönlichkeiten ab und neigen zu Agilität und kooperativer Teamarbeit. Ihre Einschätzung künftiger Führung liegt weitaus näher an ihrer Idealvorstellung. Hinzu kommt, daß schon die heutige Führungspraxis nicht so negativ beurteilt wird wie von der Gruppe der ‘Verlierer’.

Kruse2014-ResignierteMitarbeiter

 

Bezeichnerweise korreliert die Gruppe der resignierten Mitarbeiter mit den Faktoren geringerem Einkommen (unter 2500€ Haushaltsnetto mtl.) und mit geringerem Bildungsgrad (81% Berufsausbildung). Allerdings stellt Kruse fest, dass sich die Mitarbeiterkritik weniger gegen Führungskräfte richtet, sondern vielmehr gegen das Wirtschaftssystem insgesamt. Führungskräfte werden einfach als optimal angepasst an das auf Rendite orientierte System verstanden.

Die Ergebnisse dieser Studie sprechen eine deutliche Sprache und zeigen die Spannungen in der deutschen Arbeitswelt auf. Der Veränderungsbedarf wird bei 85% der Mitarbeiter gesehen und hat einen Bezug zur umgebenden Gesellschaft. Seine Studie bestätigt den Trend von nunmehr 13 Studien in den letzten 9 Jahren zu Fragen der Gesellschaft.

Wie Kruse an anderer Stelle sagt:

“Das kulturelle Band in der Gesellschaft ist bereits zum Zerreißen gespannt. Deutschland braucht den Paradigmenwechsel.”